Lena, tetrazyklisches Antidepressivum

Die Krankenschwester sagte mir, dass die Nebenwirkungen spätestens 3 Wochen nach dem Absetzen verschwunden sein müssten.


Ich bin eine junge Frau Ende zwanzig und mein Leben wurde mir genommen, bevor es richtig beginnen konnte. Ich leide seit nun fast 15 Jahren jeden Tag an massiven iatrogenen (medikamenteninduzierten) Schäden durch die Einnahme von Antidepressiva. Ich hatte von Anfang an keine wirkliche Ahnung, was die Probleme verursachte, die ich fühlte, da ich nix von bleibenden Schäden durch Antidepressiva wusste und tappte daher auch jahrelang im Dunkeln. Ich sah trotzdem immer den zeitlichen Zusammenhang meiner Symptome und der Einnahme der Pillen und hatte deswegen schon immer ein Gefühl, dass meine Problematik mit den Pillen zusammenhängen könnte.

Vor ungefähr zwei Jahren erfuhr ich von einer anderen Person, die medikamenteninduzierte Schäden erlitten hatte und die mit den Punkten mit meinen Problemen exakt übereinstimmten, die während der Einnahme von Antidepressiva begannen.
Seitdem weiß ich mit 100-prozentiger Sicherheit, dass dies die Ursache meiner Probleme war, insbesondere nachdem ich viele weitere Erfahrungsberichte gelesen und mich eins zu eins wiedergefunden habe.

"Meine Leidensgeschichte begann, als ich ein Teenager war."

Meine Eltern beschlossen, wegen meiner sozialen Ängste und Depressionen einen weiteren Psychiater aufzusuchen. (die depressive Verstimmung oder Depression bekam ich von den Medikamenten, welche ich wegen angeblichem ADS zuvor einnehmen sollte ) Ich persönlich glaube nicht, dass ADS oder ADHS eine Erkrankung darstellt, welche zwingend mit Medikamenten, die wie Drogen wirken, an Kindern oder Teenagern behandelt werden muss. Aber das ist ein anderes Thema.

Der Psychiater beschloss dann, mir ein tetrazyklisches Antidepressivum zu verschreiben.

"Nach ca. 6 Wochen Einnahme des Antidepressivums erwachte ich eines Morgens mit dem Gefühl, dass die ganze Welt weiter weg ist. Eine Art Glasscheibeneffekt, der als Derealisation bekannt ist." 

Nach ungefähr einem weiteren Monat habe ich das Antidepressivum abgesetzt. Das Gefühl der Derealisation ist seit diesem Morgen nie wieder verschwunden. Beunruhigenderweise verschwand meine Libido vollständig, nachdem ich das Antidepressivum abgesetzt hatte. Darüber hinaus registrierte ich eine emotionale Taubheit und hatte kein wirkliches Hunger- und Sättigungsgefühl mehr.

Mehrere Tage nachdem ich das Antidepressivum abgesetzt hatte, sagte ich einer Krankenschwester, dass die Nebenwirkungen nicht verschwunden seien. Sie versicherte mir, dass innerhalb von drei Wochen alles aus meinem Körper heraus sein sollte und alle Nebenwirkungen verschwinden würden.
Unnötig zu erwähnen, dass sie bis heute nicht verschwunden sind. 

"Ich habe das Gefühl, dass alles, was einst in mir gelebt hat, getötet wurde. Als wäre ich ein Geist, der in einer anderen Galaxie gefangen ist, wie in einem schlechten Horrorfilm." 

Meiner Meinung nach ist diese chronische Derealisation das Schlimmste, was einem Menschen angetan werden kann. Ich habe mich so viele Jahre lang völlig abgekoppelt von der Realität gefühlt. Ich hatte Tage, an denen ich nackte Todesangst hatte, dass ich diesen Zustand der Derealisation nicht länger überleben werde. Ich fühlte mich in solchen Momenten lebendig begraben - Gott sei Dank sind diese Momente sehr selten und die meiste Zeit kann ich damit umgehen.

Selbstverständlich habe ich jahrelange Arzt- Krankenhausbesuche, Untersuchungen und Therapie-Odysseen hinter mir. Im Krankenhaus wurden mir immer mehr Pillen angeboten, die mir nie halfen, außer mehr Nebenwirkungen zu verursachen. Nach einigen Wochen oder Monaten habe ich jedes Medikament ohne weitere Probleme abgesetzt. Zum Glück haben mir diese Medikamente nicht noch weiter geschadet.

In den Jahren vor meiner Erkenntnis, dass es das tetrazyklische Antidepressivum war, kam niemandem in den Sinn, dass mein Zustand und alles, was ich erlebte, auf diese Pillen zurückzuführen war. Auch hatte ich mich die ganzen Jahre (bevor ich heraus fand, dass ich eine medikamenteninduzierte Erkrankung habe) nie wirklich klassisch depressiv, traurig oder erschöpft gefühlt, es war eher so, dass ich so gut wie gar keine richtigen Gefühle mehr hatte/habe.

Ich habe in den ganzen Jahren so viele Experimente und Therapien ausprobiert, um meinen Zustand bisher erfolglos zu verbessern. Durch diese medikamenteninduzierten Folgeschäden bin ich so gut wie arbeitsunfähig. Des Weiteren kann ich aufgrund der komplett ausgelöschten Libido und fehlenden sexuellen Anziehung keine wirklichen
Liebesbeziehungen zu Männern eingehen, was für mich wohl mit das Schlimmste an all dem ist.

Ich hatte alle Voraussetzungen für ein glückliches Leben, wurde von liebevollen Eltern großgezogen und hatte eine schöne Kindheit. Ich würde mich selbst als intelligente, nette und attraktive Frau bezeichnen.
Aber all das Potential ist bedeutungslos, wenn deine Gesundheit zerstört worden ist.

Es wird behauptet, dass die Medikamente das Neurotransmitter-Gleichgewicht des Nervensystems langfristig verändern oder schädigen und sogar epigenetische Veränderungen hervorrufen, aber die Wahrheit ist, dass noch niemand weiß, was ganz passiert ist. Alle Berichte von Leidensgenossen, die ich bisher gelesen habe, lesen sich alle fast gleich."

"Was hier seit vielen Jahren passiert, ist meiner Auffassung nach ein absoluter Arzeneimittelskandal und ich hoffe, dass er auch weiterhin an die Öffentlichkeit kommt." 

Ich bin zu fast 100 Prozent schwer verletzt und zurückgelassen worden: sexuell, emotional sowie kognitiv. Ich fühle mich eigentlich die meiste Zeit wie ein ferngesteuerter Zombie, der nicht in der Lage ist, in der Realität anzukommen oder in eine echte emotionale Schwingung/Verbindung mit anderen zu treten, egal wie sehr ich es versuche. Ich bin wie abgeschnitten von mir selbst und meinen Mitmenschen. Alle diese Gefühle hatte ich vor der Einnahme des Antidepressivums nicht.

Zusätzlich habe ich mein emotionales Gedächtnis verloren seit ich PSSD entwickelt habe. Alles, was ich im Leben mit meinen Freunden und meiner Familie erlebt hatte, bevor ich PSSD bekam, ist ausgelöscht. Ich erinnere mich an alles, aber es fühlt sich an wie nichts. Aus ehemaligen Freunden wurden Fremde und es ist nun Jahre her, dass ich wirkliche Liebe für meine Familie empfinden konnte.

Ich bin oft schockiert und wütend über das, was mir und anderen widerfahren ist. Und ich merke, dass ich das alles nicht richtig verarbeiten und realisieren kann. Auch fassungslos machte mich, dass Menschen, die ich kenne, die illegale Drogen missbraucht haben, nicht diese bleibenden Schäden wie bei dieser Erkrankung haben.

Ich habe das Gefühl, mit fast 30 Jahren irgendwie am Ende meines Lebens angekommen zu sein. All die vielen Jahre habe ich mit so viel Therapie um ein normales Leben gekämpft, was völlig sinnlos war, da man eine neurochemische Erkrankung nicht mit psychologischen Sitzungen heilen kann.

Meiner Meinung nach ist PSSD in vielen Fällen wie z.b. in meinem, also die fast komplette permanente chemische Kastration plus die weiteren teils massiven Folgeschädigungen, eines der grausamsten und kriminellsten Dinge, die einem Menschen zustoßen können. Es gibt auch noch mehr nachhaltige Schäden, welche durch Antidepressiva verursacht werden können, welche ich hier aber nicht aufzählen werde.

Gott sei Dank fängt PSSD jetzt an, Aufmerksamkeit für Studien zu bekommen, was mir ein wenig Hoffnung gibt, irgendwann eine Besserung der Symptome zu finden. Forschung ist derzeit der wichtigste nächste Schritt. 

"Jeder von uns Betroffenen verdient es, Antworten auf das, was passiert ist, zu erhalten und hoffentlich eines Tages Linderung für unsere Symptome zu finden."

Darüber hinaus sollte die Pharmaindustrie für den Schaden, den sie für so viele Menschen verursacht hat, zur Rechenschaft gezogen werden, obwohl dies leider auch eher unwahrscheinlich ist.

Ich für meinen Teil werde trotz all dem weiterhin durchhalten und die Hoffnung auf eine Besserung durch z.b. Forschung oder evtl. einer anderen Therapie, die evtl. mal anschlägt, nicht aufgeben. In der Zwischenzeit finde ich Freude und Ablenkung in Sport, Tanz und Musik und werde versuchen, mehr Dinge zu tun, die mir helfen, mich zu entspannen, wie z.b. Strandurlaub und Schwimmen.

Mediziner warnen die Patienten immer noch nicht vor diesen möglichen Schäden. Lediglich, jedoch immerhin wurde ein kleiner Hinweis seit einem Beschluss der europäischen Arzneimittelagentur von 2019 zu bleibenden sexuellen Funktionsstörungen in den Beipackzetteln ergänzt.

Allen Betroffenen möchte ich sagen:

Ihr seid unglaublich stark.
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